Ratgeber - Markus Hill

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Ertrag ist das Eine, Stil das andere

So würde ein Family Officer ein Fondsportfolio für eine Stiftung zusammenstellen

Markus Hill, redaktion@fondsboutiquen.de, Lesezeit: 7min31

Stellt sich eine Stiftung heute ein Fondsportfolio zusammen, dann tut sie das im Wissen um den Niedrigzins und um die wichtigsten Leistungsdaten verschiedener Fonds. Was sie sich dabei von einem Family Officer abschauen kann ist der Blick weg vom Kalenderjahr und auf verschiedene Anlagestile. Wertentwicklung ist dagegen oft ein Hygienefaktor. Diese andere Sichtweise auf Fonds bzw. ein Fondsportfolio könnte vielleicht eine sein, die sich Stiftungsverantwortliche zu Nutzen machen sollten.

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Es gibt da diese eine Szene im ersten Film der Allmen-Reihe von dem Autor Martin Sutter. Johann Friedrich von Allmen soll für einen Bekannten dessen Lebensgefährtin in die Oper ausführen. Nach der Oper stellt sich die Dame mit ihrem kompletten Namen vor, woraufhin Allmen zurückfragt: „Sie sind Jojo Hirth?“ Die junge Dame ist ob dieser Nachfrage etwas enttäuscht, weil sofort ihre familiäre Herkunft in den Mittelpunkt rückt. Allem aber korrigiert: Man müsse Nachsicht haben mit den einfachen Menschen, aber das drittgrößte Schweizer Privatvermögen rufe von Natur aus ein gewisses Interesse hervor. Als Jojo entgegnet, es sei das zweigrößte (Privatvermögen), antwortet Allmen: „Ich gratuliere.“

Familienvermögen, das ist häufig etwas Sagen umwobenes, es ist oft eine von außen kaum greifbare Masse. Es ist es harte Arbeit, diese Vermögen zu erhalten und intergenerationell zu bewirtschaften. Diese Aufgabe übernehmen Family Officer. Viel von ihrer Tätigkeit hat Gemeinsamkeiten mit dem, was Stiftungslenkerinnen und -lenker in der täglichen Praxis zu tun haben. Auch Stiftungen haben im Optimalfall einen sehr langfristigen Anlagehorizont, müssen nicht zuvorderst auf die Wertentwicklung fokussieren. Sie folgen einem übergeordneten Ziel in der Bewirtschaftung ihres Stiftungsvermögen: das Verwirklichen des Stiftungszwecks. In diesem Zusammenhang werden oft auch Publikumsfonds eingesetzt, oft sogar mit dem Label „Stiftungsfonds“ versehen.

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Stiftungsfonds? Eine Fondskategorie wie jede andere!

Vielleicht ist es interessant, sich einmal anzuschauen, wie ein Family Officer an die Fondsauswahl herantreten würde. Denn wenn die Parameter ganz grundsätzlich ähnlich zu denen einer Stiftung sind, dann lassen sich hieraus vielleicht auch Parallelen für die Auswahl von Stiftungsfonds beziehungswiese stiftungsgeeigneten Fonds finden. Womit wir direkt beim ersten Punkt wären: Ein Family Officer – auch andere Fondsselektoren, natürlich – würde sich in den seltensten Fällen von einem Label wie „Stiftungsfonds“ irritieren oder leiten lassen. Ihn interessieren generell erst einmal Zahlen, Investmentprozess, Anlagestil etc., weniger die Prosa vorne auf dem Produktflyer. Stiftungsfonds sind für einen Family Officer eine Fondskategorie wie jede andere. Man könnte oft im Grunde einfach von Mischfonds sprechen, die in dem einen oder anderen Format etwas mehr den Stiftungen in Ihren Bedürfnissen entgegenkommen.

Fonds – Substanz versus Label

Ein Mischfonds wird von einem Family Officer gemäß Aufgabe im Portfolio ausgewählt, und diese kann variieren. Entweder ist ein Mischfonds schwankungsarmes Basisinvestment, also ein Baustein, um ein Fundament im Portfolio zu bestücken. Dann sind es eher defensive Mischfonds, zu denen dann durchaus auch Stiftungsfonds gehören können. In einem anderen Fall kann der Mischfonds aber auch der Baustein sein, mit dem eine Ausschüttungskomponente ins Portfolio gebracht werden soll. Beide Aufgaben sind auch im Stiftungsvermögen zu „erledigen“, mit dem Fokus auf den ordentlichen Ertrag, also die Ausschüttung. Was sich eine Stiftung aber vom Family Officer abschauen kann ist das Definieren des Einsatzbereiches eines Fonds, und ausgehend davon das Analysieren bestimmter Leistungsdaten.

Über das Freimachen von Fondskategorien

Ein nicht „stiftungsdenken-befangener“ Family Officer würden hierbei allerdings stets freimachen von Fondskategorien und Stiftungsfonds zum Beispiel mit Income-Fonds vergleichen, weil über diese beiden Kategorien die gestellte Aufgabe bewältigt werden könnte. Ebenfalls würden sie sich freimachen vom alleinigen Blick auf die Wertentwicklung. Die Wertentwicklung ist für Family Officer häufig ein Hygienefaktor, Sie gibt Orientierung, sie ist nicht das zentrale Kriterium für die Fondsauswahl. Rendite wird in Relation zum Risiko betrachtet, wichtig ist zum Beispiel ebenso der Track Record („Erfolgshistorie“) des Asset Managers.

ESG ante portas

Zusätzlich könnte es in Zukunft eine Frage sein, ob ein Fonds dem Bereich ESG-Kriterien wirklich nachvollziehbar eine Rolle in der Anlagepolitik zugesteht. Derzeit findet hier immer noch eine interessante Kontroverse in Fachkreisen statt. Die verstärkte Berücksichtigung von ESG-Kriterien (Zeithorizont-Argument, Einflussmöglichkeiten – direkt und indirekt, etc.) kann bedeuten, dass mittel- und langfristig die Wertentwicklung leidet, weshalb solche Fonds tendenziell gemieden werden dürften.

Familienvermögen wie Stiftungsvermögen anlegen

Das Thema ESG kann noch eine Zeit lang bei verschiedenen Inverstorengruppen mit einer unterschiedlichen Fokussierung betrachtet werden. Stiftungen sind ja qua ihrer DNA eigentlich von Haus aus dazu angehalten, in nichts zu investieren, was – grob gesagt – dem Gemeinwohl schadet. Familienvermögen dürfte künftig exakt nach derselben übergeordneten Devise investiert werden. Family Officer werden demgemäß die von ihnen präferierten Fonds diesbezüglich mit Fragenkatalogen konfrontieren und natürlich ebenso einen offenen Umgang mit der Thematik verlangen.

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Ein gutes Gespräch liefert häufig gute Ideen

Das können sich Stiftungen von Family Officern ebenfalls abschauen, das Einfordern von – in ihrem Fall – stiftungsspezifischen Informationen. Family Officer würden sich niemals mit einem Factsheet und einem Jahresbericht als Informationsquelle zufriedengeben, sie würden wissen wollen, was in dieser oder jener Phase konkret im Fonds gemacht wurde, um die Managementqualität beurteilen zu können. Und sie können sich abschauen, ein gutes Gespräch zu führen, zu einem Konzept, zu einer Idee, zu dem wie es andere machen. Es heißt so schön, dass ein gutes Gespräch mit dümmer macht, und daran ist auch etwas dran, neudeutsch wird dann gerne von Qualified Diversity (QD) gesprochen.

Hält ein Fonds, was er verspricht?

Ein ganz zentraler Punkt bei der Auswahl von Asset Managern ist ja der folgende: Kann ein Fonds langfristig das halten, was er verspricht, hinsichtlich Wertentwicklung, hinsichtlich Ausschüttung, hinsichtlich Drawdown, hinsichtlich Korrelation, hinsichtlich Asset Allocation? Praktisch kein Family Officer würde nur auf das letzte Jahr oder die letzten drei Jahren bei einem Fonds schauen, er würde immer eine Bestandsaufnahme seit Auflage des Fonds erwarten. Zumindest aber einen Satz Informationen, die seit Auflage vorliegen. Im Umkehrschluss bedeutet dies auch, dass sich Family Officer freimachen vom Kalenderjahr, und das kann für Stiftungen ein wertvoller Eckpfeiler sein. Eher denkt der Family Officer in Kapitalmarkt-Szenarien und richtet danach das Portfolio beispielsweise etwas offensiver oder etwas defensiver aus. Regulatorisch ohne Fesseln, denkend in Generationen – hier vielleicht ein zentraler Vorteil bei dieser Vorgehensweise.

Loslösen vom Kalenderjahr meets Mix der Anlagestile

Neben dem Loslösen vom Kalenderjahr nutzen Family Officer häufig auch noch einen weiteren Ansatz, um das Portfolio zu bewirtschaften: das Mischen von Anlagestilen. Für die verschiedenen, langfristigen Szenarien sind der eine Anlagestil besser und der andere Anlagestil eher weniger geeignet. Da aber niemand weiß, welches Szenario letztlich eintritt, bietet sich hier ein Mix der Anlagestile und auch -strategien an. Der positive Effekt dieser handwerklichen Maßnahme wirkt sich vor allem mittel- und langfristig aus, was natürlich auch für Stiftungen eine Tatsache von Belang ist. Denn einer Stiftung ist nicht geholfen, wenn ihr Stiftungsvermögen nur in einem Jahr reüssiert, weshalb der Kniff mit der Stilmixtur ein ganz entscheidender auch für Stiftungen sein kann.

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Zusammengefasst

Ein Family Officer ist ein spezieller „Problemlöser“ mit vertiefter, unabhängiger Expertise für Familienvermögen. Es muss hierfür handwerklich auf der Höhe der Zeit unterwegs sein, und einen ausreichend langfristigen Anlagehorizont betrachten und „bewirtschaften“ können. Stiftungen können sich vom Family Officer übergeordnet einige Dinge abschauen, aber auch in den Details. Denn das Zusammenstellen des Fondsportfolios eines Familienvermögens folgt erstaunlich vielen Überlegungen, die Stiftungen auch anstellen sollten.

Insbesondere jene, die beim Ausrichten des Vermögens das Jahr 2030 in Augenschein nehmen, und dabei manch Bekanntes oder Gewohntes über Bord zu werfen gedenken. Aber wie zitiert es Johann Friedrich von Allmen im ersten Teil der Allmen-Filme so schön: „Dem Kühnen lächeln die Götter zu“. Oder aber – Kühnheit mit Risikomanagement kombiniert: Stiftungen und Family Officer suchen und pflegen vor 2030 den fachlichen Gedankenaustausch!

Markus Hill

ist Asset Management Consultant in Frankfurt am Main und Herausgeber & Redakteur von www.fondsboutiquen.de.