Stiftungen und der Umschichtungsgewinn

Ratgeber

Stiftungen und der Umschichtungs­gewinn

Gut gemeint ist nicht gut gemacht: Umschichtungsgewinne realisieren ist nicht trivial

Frank Wettlauffer, Lesezeit: 8min40, FondsFibel 2022, Ratgeber

Stiftungen und der Umschichtungsgewinn

Die Möglichkeit der Zuführung von Umschichtungsgewinnen zur Mittelverwendung löst im Stiftungssektor allgemeine Freude aus. Ein genauer Blick zeigt jedoch auch Schattenseiten auf. Das unglückliche Konzept der Umschichtungsgewinne führt bei Stiftungen zu Herausforderungen, die sie jedoch durch Kniffe und gezielte Auswahl der richtigen Produkte abmildern können.

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Kaum ein Element der Stiftungsrechtsreform wurde mit so viel Freude aufgenommen wie die Möglichkeit, Umschichtungsgewinne, d.h. Mehrerträge, die durch den Verkauf von Vermögensgegenständen zu einem Preis über dem Buchwert realisiert werden, der Mittelverwendung zuzuführen. Ermöglicht dies doch vielen Stiftungen, hohe Gewinne, die in den letzten Jahren angesichts steigender Börsen angefallen sind, endlich für einen guten Zweck zu verwenden und somit dem niedrigen Zinsniveau zu entkommen. Wenn auch das Thema angesichts des schwierigen 2022er Kapitalmarktjahres etwas von seiner Aktualität verloren haben dürfte, so dürfte dieses bei wieder steigenden Börsen schnell wieder auf die Tagesordnung vieler Stiftungen kommen. Andere fragen sich, ob sie nun in Anlagen ohne laufende Erträge investieren sollen, um diese – mit hoffentlich hohen Kursgewinnen – zukünftig verkaufen zu können. Mit Verweis auf die Stiftungsrechtsreform werden sie dabei kräftig von Medien und Produktanbietern unterstützt, welche die neue Welt der Anlagemöglichkeiten preisen.

Welche der neuen Anlagemöglichkeiten sind denn nun wirklich stiftungsgeeignet? Wie realisiert man sinnvollerweise Umschichtungsgewinne? Und ist es überhaupt sinnvoll, das Instrument der Umschichtungsgewinne bei zukünftigen Anlagen im Auge zu haben? Während die Frage nach dem stiftungsgeeigneten thesaurierenden Produkt in dem späteren Beitrag „Ist der Thesaurierer ein Saurier?“ beantwortet wird, befasst sich dieser Text mit den Herausforderungen der Umschichtungsgewinne.

#FreitagsPodcast-Tipp: Umschichtungsgewinn ist das Eine, der Umgang mit einem Umschichtungsverlust ist das Andere. Mit dem Stiftungsexperten Christian Brütting von audalis sprachen wir darüber, was Stiftungen im Umgang mit Umschichtungsverlusten beachten müssen – und wie sie mit Buchverlusten am besten umgehen.

Wertsteigerungen statt Umschichtungsgewinne – der (f)eine Unterschied

Zur Beantwortung dieser Fragen ist es sinnvoll, zunächst das Wesen der Umschichtungsgewinne näher zu beleuchten. Es zeigt sich, dass diese häufig eine Illusion sind, die aus einer falschen Vorstellung über die Funktionsweise des Kapitalanlagemarkts resultiert. In dieser Vorstellung kauft ein schlauer Anleger einen unterbewerteten Titel zu niedrigen Preisen und verkauft ihn zu einem höheren Kurs, nachdem die anderen Marktteilnehmer auch den „wahren“ Wert erkannt haben. Sprich es handelt sich um eine erfolgreiche Spekulation. Nach Abschluss der Transaktion steht dem Anleger, beziehungsweise der Stiftung, der Gewinn zur Mittelverwendung zur Verfügung.

Leider entspricht die Realität nicht dieser Vorstellung, obwohl uns sowohl interessierte Kreise, als auch die tägliche Erfahrung und Berichte von besonders erfolgreichen Spekulanten dies glauben machen möchte. Die vielen positiven Ergebnisse sind reiner Zufall, wie die Wissenschaft mit der Effizienzmarkttheorie und auch die Empirie zeigt und anderweitig beschrieben wird. Umschichtungsgewinne kommen in den allermeisten Fällen folgendermaßen zustande: Der „schlaue“ Anleger verkauft eine Aktie A, nachdem sie um 10% gestiegen ist und kauft dann Aktie B. Nachdem Aktie B um 10% gestiegen ist, schichtet er in Aktie C und verkauft diese wiederum nach 10% Kursgewinn. Es sieht so aus, als hätte der „schlaue“ Anleger durch geschicktes hin und her 30% Umschichtungsgewinn gemacht. Defacto ist aber auch Aktie A um 30% gestiegen und Aktie B, nachdem sie verkauft wurde, auch noch mal um 20%. Das viele „hin und her“ führt also zu keinem überdurchschnittlichen Erfolg, sondern „macht allein Taschen leer“. Aktie A einfach liegen zu lassen, hätte die Transaktionskosten gespart und somit ein besseres Ergebnis erzielt. Dass dieses Beispiel die Realität sehr gut abbildet, ergibt sich aus der Tatsache, dass Fonds die nur Aktien kaufen und diese liegen lassen (z. B. ETFs) im Durchschnitt eine bessere Wertsteigerung aufweisen, als Fonds, die durch „geschicktes“ Handeln versuchen, einen Mehrwert zu generieren.

Die „Effizienz der Kapitalmärkte“, welche eine systematische überdurchschnittliche Wertentwicklung verhindert, gilt natürlich nicht nur für Aktien, sondern grundsätzlich für alle Vermögensklassen. Kein Anleger kann systematisch prognostizieren, ob – risikoadjustiert – Aktien oder Immobilien oder irgendeine andere Anlage besser rentiert als die anderen. (Und wenn jemand solche Fähigkeiten hätte, würde er diese Stiftungen nicht für wenig Geld zur Verfügung stellen.)

Das Wesen des Umschichtungsgewinns hat Konsequenzen für die Fondsanlage von Stiftungen

Diese Analyse des Wesens von Umschichtungsgewinnen hat nun mehrere Konsequenzen: Umschichtungsgewinne in dem Sinne, dass etwas dauerhaft wertsteigerndes generiert wurde, was der Mittelverwendung zugeführt werden kann, gibt es nicht systematisch. Stattdessen handelt es sich um Wertsteigerungen, welche auch ohne Umschichtungen zustande kommen. Somit sollten Stiftungen oder ihre Vermögensverwalter gar nicht versuchen, Umschichtungsgewinne zu generieren. Das Beruhigende ist: in der Praxis tun sie es meistens auch nicht. Denn wenn sie es exzessiv machten, würde dies einer Umgehung des stiftungsrechtlichen Spekulationsverbots entsprechen.

Kursgewinne bei Stiftungen resultieren also i.d.R. nicht aus Umschichtungen, sondern aus einfachen Wertsteigerungen. Im Gegensatz zu dem was das Gesetz postuliert, verwenden Stiftungen also keine Umschichtungsgewinne. Vielmehr realisieren sie – opportunistisch und nach Bedarf – Wertsteigerungen durch Umschichtungen. Das ist natürlich etwas ganz anderes und erfordert eigentlich eine neue (gesetzliche) Regelung. So wäre es ökonomisch sinnvoll, die dauerhafte, durchschnittliche Wertsteigerung des Gesamtvermögens der Mittelverwendung zuzuführen. Technisch könnte man das durch den anteiligen Verkauf aller Titel realisieren.

Wie im Folgenden gezeigt wird, ist die gegenwärtige Regelung der Realisierung von Wertsteigerungen durch Umschichtungen mit erheblichen Nachteilen verbunden, welche durch eine gesetzliche Fokussierung auf „Wertsteigerungsrealisierung“ statt „Umschichtungsgewinne“ hätte vermieden werden können.

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Es gibt kein richtiges Leben im falschen – Umschichten hat Nachteile

So weit so gut werden Sie denken. Wie man das Kind nun nennt, ob „Umschichtungsgewinne“ oder „Wertsteigerungsrealisierung“ könnte einer Stiftung, die in der glücklichen Lage hoher Reserven ist, eigentlich egal sein. Allerdings fangen die Probleme bei der Umschichtung an. Bei der Auswahl der zu verkaufenden Wertpapiere – insbesondere aber bei der Wahl der neu zu investierenden Anlagen – lauern vielfältige Fallstricke. Einfach ist es, wenn die Möglichkeit zur Umschichtung genutzt wird, um endlich das ungeliebte – weil teure und schlecht rentierende – Wertpapier zu verkaufen. Und dann die Gelder in eine wohl diversifizierte, stiftungsgerechte Mischung aus ETFs und preiswerten Stiftungsfonds anzulegen; wie dies für Stiftungen hier beschrieben wird.

Aber was ist, wenn das Wertpapier seinen Zweck in einem gut diversifizierten Portfolio – z.B. aus 50% Renten-ETF und 50% Aktien-ETF – erfüllt? Besteht nicht die Gefahr, dass das Vermögen nach der Transaktion ein schlechteres Rendite Risiko Profil aufweist? Auch sollte man sich von der Illusion verabschieden, durch eine Umschichtung von z.B. Aktien in – attraktiver erscheinende – Immobilien könnte man überdurchschnittliche Gewinne machen. Wie oben erläutert wurde, gibt es keine „unterbewerteten“ Vermögensklassen. Im Gegenteil: bei der Umschichtung lauern neben hohen Kosten viele psychologische Fallstricke.

Zusätzlich zu dem Problem, das richtige neue Produkt zu finden, ist der Verkaufs des Alten häufig auch problematisch. Dies insbesondere, wenn mehr an dem Produkt hängt als nur Rendite und Risiko, wie etwa die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit einem Bankier (nicht zu verwechseln mit dem Banker). Warum soll diese beendet werden, nur um zu einer anderen Bank zu wechseln, bei der der Berater nicht bekannt ist?

Neben dem Problem der richtigen Umschichtungsinstrumente führt die Realisierung von Gewinnen zu vielen anderen Fragen und Entscheidungsproblemen. Wann soll der Gewinn realisiert werden? Welcher Mittelverwendung wird der Gewinn zugeführt? Soll die Höhe der Fördertätigkeit letztendlich von dem zufälligen Kapitalmarktgeschehen bestimmt werden?

So glücklich viele Stiftungen über die Möglichkeit, vergangene Kursgewinne zu realisieren auch sein mögen. Es zeigt sich, dass Umschichtungen selten sinnvoll sind, und viele Nachteile mit sich bringen. Für die Zukunft sollten Stiftung sie – wo möglich – vermeiden.

Wie können Stiftungen nun Umschichtungen vermeiden? Die einfachste Lösung besteht darin, Erträge, statt in Form von Wertzuwächsen, in Form von Ausschüttungen zu generieren – also genau das Gegenteil des gegenwärtigen Trends hin zu thesaurierenden Produkten. Bevor auf die ideale Form der Ausschüttungen eingegangen wird, soll aber eine Lösung für vergangene Wertzuwächse im Rahmen von Umschichtungen aufgezeigt werden.

Die zweitbeste Lösung – Reduzierung der Transaktionskosten

Es zeigt sich, dass Umschichtungen ihre Tücken haben und wahrscheinlich von den meisten Stiftungen vermieden werden wollen. Ziel ist es ja auch nicht, eine Umschichtung vorzunehmen, sondern die Wertsteigerung zu realisieren. Leider hat der Gesetzgeber dafür – noch – keine ideale Lösung vorgesehen. Somit verbleibt nur die zweitbeste Lösung für das Problem: Der Verkauf des Wertpapiers und der gleichzeitige Rückkauf desselben Wertpapiers. Damit hat man die Umschichtung defacto vermieden und de jure dem Gesetz genüge getan. (Zumindest besteht die Hoffnung, dass Wirtschaftsprüfer und Aussichtsbehörden diesen pragmatischen Kurs unterstützen, bis der Gesetzgeber nachgebessert hat.)

Leider fallen auch für dieses einfache „Raus-Reingeschäft“ Transaktionskosten an, die teilweise einen Großteil des zu realisierenden Ertrags „auffressen“. Bei einer Realisation von 5% Kursgewinn und Kosten von jeweils einem Prozent des jeweiligen Betrags bei Verkauf und Kauf verbleiben von den 5% nur rd. 3%. Wer also plant, Umschichtungsgewinne zu realisieren, sollte sich vorher schon mal die Transaktionskosten seiner Bank genau anschauen.

Ausschüttung der durchschnittlichen Rendite – die ideale Lösung für die Zeit bis zur nächsten Stiftungsrechtsreform

So groß die Freude über die Realisierungsmöglichkeit der aufgelaufenen Kursgewinne der Vergangenheit auch ist. Es zeigt sich, dass man in Zukunft – bis zur Reform – Kursgewinne im Idealfall lieber vermeiden sollte. Für Stiftungen ideale Produkte thesaurieren also nicht ihre Erträge, sondern schütten diese – möglichst umfassend – aus. Umfassend bedeutet dabei aber nicht, vergangene, überdurchschnittliche Kursgewinne auszuschütten, da dies dem Kapitalerhaltungsgrundsatz entgegensteht. Vielmehr sollten nur die dauerhaft erzielbaren, durchschnittlichen Renditen der Mittelverwendung zugeführt werden. Bei Aktien sind dies z.B. geschätzte 6 % aus erwarteten ordentlichen Erträgen UND ihrer dauerhaften Wertsteigerung infolge der einbehaltenen Gewinne.

Vor allem Produkte kaufen, welche die gesamten erwarteten Erträge ausschütten! Was ist denn mit den neuen Möglichkeiten der nichtausschüttenden Produkte? Warum sollten Stiftungen kleinlich auf Kosten achten, wenn große Renditechancen winken? Nun mittlerweile wissen wir, dass Chancen und Risiken unter allen Anlageprodukten gleich verteilt ist. Und wie in dem nächsten Beitrag „Ist der Thesaurierer ein Saurier“ gezeigt wird, dürfte die zusätzliche Diversifikation durch nicht ausschüttende Assetklassen für die meisten Stiftungen von untergeordneter Bedeutung sein. Alle anderen Investments gibt es schon lange in ausschüttenden Formen.

Die Probleme der Umschichtungen akzentuieren also die Vorteile ausschüttender Produkte. Entgegen den Unkenrufen interessierter Kreise sind ausschüttende Anlagen also alles andere als unnötig und Stiftungen sollten den – vermeintlichen – Vorteilen thesaurierender Produkte mit einem gesunden Maß an Skepsis und großem Bewusstsein ihrer Nachteile entgegentreten.

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Zusammengefasst

Umschichtungsgewinne sind ein Fremdköper im deutschen Stiftungswesen, da sie dem Spekulationsverbot widersprechen und in der Realität auch keine Bedeutung haben. Sie sollten durch die Möglichkeit zur „Wertsteigerungsrealisierung“ abgelöst werden. Bis dies erlaubt ist, müssen sich Stiftungen durch Raus-Rein-Geschäfte behelfen, um Transaktionskosten zu reduzieren. Die Probleme bei der Realisierung von Wertsteigerungen führt auch dazu, dass alle thesaurierenden Angebote gegenüber ausschüttenden im Nachteil sind. Stiftungsprodukte mit Ausschüttungen in Höhe der durchschnittlich erwarteten Rendite sind somit optimal, um die Nachteile der bestehenden Regulierung zu vermeiden.

Frank Wettlaufer

Über den Autor
Der Kapitalmarktexperte Frank Wettlauffer berät Stiftungen bei ihren Anlagen – auch pro bono. Er war Spezialfondsmanager bei der Dresdner Bank und langjähriger Leiter der Stiftungsbetreuung von Schweizer Privatbanken. Nach Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit gestaltete er auf Wunsch von ehemaligen Kunden wie der terre des hommes Stiftung einen Stiftungsfonds. Mehr Informationen unter www.wettlauffer.ch und www.smart-und-fair-fonds.de.