Ratgeber Stiftungsvermögen POST-Covid
Ratgeber Stiftungsvermögen POST-Covid

Ratgeber

Der Gamechanger Nummer 1

Ein Vergleich zur Asset Allocation im Stiftungsvermögen PRE und POST Covid

Text: Andreas Fiedler, andreas.fiedler@eb-sim.de, Lesezeit: 5min52, Bilder: www.fondsfibel.de, FondsFibel 2022

Ratgeber Stiftungsvermögen POST-Covid

Sie kennen Nena, die Ikone der Neuen Deutschen Welle. Aber kennen Sie auch ihr 1985 erschienenes Album It’s all in the game? Es ist das vierte Studioalbum, und das im Deutschen Haus der drei Sonnen benannte Lied heißt im Englischen It’s all in the game. Übersetzen ließe sich dies mit ‚Es ist doch alles nur ein Spiel‘, oder aber mit ‚Das gehört alles zum Spiel‘. Letzteres passt sehr gut zur Situation vieler Stiftungsvermögen, deren Asset Allocation derzeit überprüft werden muss. Denn zum Spiel gehört hier jetzt, eine Asset Allocation POST Covid zusammenzubauen. Covid ist, auch das Stiftungsvermögen betreffend, ein echter Gamechanger.

Gamechanger. Gamechanger ist ein großes Wort, das gerne herangezogen wird, sofern sich grundlegende Dinge ändern. In der Regel ist es dieser eine Gamechanger, der Rahmenparameter verändert, der damit verlangt, bewährte Handlungsmuster zu durchbrechen und neue zu etablieren. Covid-19 ist definitiv einer dieser Gamechanger, über den wir heute noch sehr wenig wissen, über den wir aber in 5 oder 10 Jahren mit ziemlicher Sicherheit sagen werden, dass er uns die Verletzlichkeit unserer an Komplexität kaum zu überbietenden Systeme auf schmerzliche Art und Weise vor Augen geführt. Wir werden eingesehen haben, dass wir mit Covid-19 keine Lösung aushandeln können, sondern dass wir schnell und effektiv reagieren müssen.

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Neue Spielregeln haben Einfluss auf Stiftungsvermögen

Zum Gamechanger wird Covid-19 aber auch dadurch, dass er Themen auf die politische wie gesellschaftliche Agenda gehoben hat, die vorher zwar diskutiert und erwogen, es in vielen Fällen aber eben nicht auf die Dringlichkeitslisten geschafft hatten. Plötzlich sprechen wir über die digitale Welt wie über den Supermarkt, plötzlich sprechen wir von der Verwundbarkeit von Lieferketten, plötzlich ist Inflation durch die immensen Ausgabenprogramme der Staaten ein Thema. Wir sprechen auch über die Erosion staatlicher Autorität, in Staaten, in denen wir dies in dieser Form kaum für möglich gehalten hätten, mit immensen Folgen für den politischen Diskurs. Diese Veränderungen der Spielregeln müssen sich in der Asset Allocation von Vermögensinhabern abbilden, und damit auch im Stiftungsvermögen – oder vielleicht: gerade dort.

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Ein neuer Zyklus beginnt

Denn zusammengefasst lässt sich durchaus konstatieren, dass die Welt am Beginn eines neuen Zyklus steht, am Beginn der POST-Covid-Ära. Gekennzeichnet dürfte diese von verschiedenen säkulären Themenfeldern sein. Einmal wird Nachhaltigkeit immer mehr zum Metathema Nummer eins, nicht zuletzt da gesamtgesellschaftlich ein Sinneswandel einzutreten scheint, bei dem die Sensibilität für die Endlichkeit des aktuellen Wachstumsmodells immer stärker in den Vordergrund rückt. Ebenfalls zeichnet sich eine tendenziell wieder stärkere Polarisierung der weltwirtschaftlichen Blöcke ab. Auf der einen Seite stehen die USA mit Europa, auf der anderen Seite China. Welches Modell sich letztendlich als das stärkere erweist, lässt sich nicht abschätzen, aber der Wettbewerb zwischen den Systemen hat an Fahrt gewonnen.

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Was es braucht ist die sachgerechte Weichenstellung

Ebenfalls sieht sich die Welt erstmals seit Beginn der 80er Jahre wieder mit steigenden Zinsen konfrontiert, und einen solchen Zinssteigerungszyklus haben die meisten Investoren in ihrer Karriere noch nicht miterlebt. Diese verschiedenen, sich überlagernden Entwicklungen legen nahe, dass die Asset Allocation im laufenden Jahrzehnt eine große Herausforderung sein dürfte. Ganz grundsätzlich stellt sich nun die Frage, wie Stiftungen auf dieses Umfeld reagieren sollten. Drei wesentliche Weichenstellungen sollten im Stiftungsvermögen erfolgen, um auf dieses komplexe Anlageumfeld eine sachgerechte Antwort zu geben.

LESETIPP
Im Jahresausblick der EB-SIM mit dem Titel „Aufbruch in einen neuen Zyklus“ führt die Analyse des Kapitalmarktumfeld mit einer Analyse der langfristigen Renditeerwartungen zusammen und leitet hieraus Handlungsanweisungen für Vermögensinhaber ab.

Globalere Asset Allocation auch im Stiftungsvermögen

Einmal dürfte sicherlich eine globalere Asset Allocation auch für Stiftungen ein immens wichtiger Baustein sein, um im skizzierten Umfeld die Ziele etwa für den ordentlichen Ertrag zu erreichen. Dazu wird ein Fokus auf Sachwerte für jedes Stiftungsportfolio notwendig sein, mit einer Ergänzung: Völlig unterrepräsentiert sind illiquide Kapitalanlagen mit planbaren Erlösströmen, diese werden von institutionellen Stiftungen bereits gesucht, aber die breite Masse der Stiftungen hat hier noch kaum einen Zugang gefunden. Schließlich ist der Themenkomplex Klima einer, der Einfluss auf Kapitalströme haben wird, woraus sich Ableitungen für die Asset Allocation treffen lassen. Erneuerbare Energien oder CO2-neutrale Immobilien werden als Investment stärker auf die Agenda von Stiftungsverantwortlichen rücken müssen.

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POST-Covid verändern sich die Renditeerwartungen

Dies ist umso wichtiger, als dass sich POST-Covid die Renditeerwartungen grundsätzlich verändert haben. Sie sind schlicht niedriger anzusetzen, bei gleichzeitig höheren Schwankungen. Eine bevorstehende Zinswende wirft heute bereits ihre Schatten voraus und lässt höhere Volatilitäten vermuten als PRE-Covid. Höhere Volatilitäten an den Märkten legen auch nahe, sich mit Alternativen Investments näher auseinanderzusetzen. Oben benannte illiquide Anlagen gehören hier dazu, Infrastruktur und Immobilien sind die bekanntesten Vertreter dieses Investmentuniversums, Private Equity und Private Debt jene, die bei der Mehrzahl der Stiftungen noch zu wenig im Fokus stehen. POST-Covid kann es zudem eine Idee sein, mehr Small Caps einzusetzen statt immer nur auf Large Caps (also großkapitalisierte Aktien) zu setzen, sprich: die Vielschichtigkeit des Aktienmarktes auszunutzen.

Gamechanger Nummer 2 ist die Stiftungsrechtsreform

Covid-19 taugt also durchaus zum Gamechanger Nummer 1 im Stiftungsvermögen, vor allem der Blick auf Stiftungsvermögen 2030 legt dies nahe. Aus Stiftungssicht ist dies aber nur die halbe Wahrheit, denn Gamechanger Nummer 2 ist die im vergangenen Jahr beschlossene und im kommenden Jahr in Kraft tretende Stiftungsrechtsreform. Stiftungen wird es möglich, Umschichtungserlöse künftig für die Verwirklichung der Stiftungszwecke verwenden zu dürfen, ohne dies eigens regeln zu müssen. Diese Vereinheitlichung des Stiftungsrechts kann durchaus als Vereinfachung angesehen werden – und gibt Stiftungen für ein wie geschildert komplexes Anlageumfeld neue Handlungsoptionen an die Hand.

Umschichtungserlös nutzen heißt Umschichtungserlös erzielen

Umschichtungserlöse zu nutzen setzt allerdings voraus, überhaupt über Umschichtungserlöse zu verfügen. Klassische Stiftungsfonds sind aber weniger darauf ausgelegt, Umschichtungserträge zu generieren, ihr Fokus liegt auf ordentlichen Erträgen, die auch die Basis für die Liquiditätsplanung einer jeden Stiftung sein sollten. Stattdessen dürfte, um Umschichtungserlöse zu ermöglichen, nun auch die Stunde von thesaurierenden Strategien im Stiftungsvermögen schlagen. Eben solche, die auf den Faktor Wertentwicklung ausgerichtet sind, die im Stiftungsvermögen damit eine klar definierte Aufgabe übernehmen können. Eine Asset Allocation, die auch auf solche Strategien setzt, wird genau dem nachkommen, was Gamechanger Nummer 1 von Stiftungen verlangt: das globalere, breitere, granularere Diversifizieren.

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Zusammengefasst

Für die Asset Allocation einer Stiftung sind von heute aus gesehen zwei Gamechanger ersichtlich. Gamechanger Nummer 1 ist die Corona-Pandemie, denn die Welt POST-Covid wird eine andere sein als PRE-Covid. Die Rahmenparameter machen es notwendig, viele Stiftungsvermögen neu zu denken und neu zu strukturieren. Hier hilft dann Gamechanger Nummer 2, die Stiftungsrechtsreform, die so gesehen vielleicht gerade zum richtigen Zeitpunkt beschlossen wurde. Denn der Umschichtungserlös wird damit eine Option im Stiftungsvermögen, die Asset Allocation kann damit um entsprechende Strategien ergänzt werden. Oder um es mit Nena zu sagen: It’s (now) all in the game.