Ratgeber
„Zuallererst müssen die Stiftungsgremien überzeugt werden“
Am gelben Tisch diskutierten Michael Beier (Heinz Sielmann Stiftung), Karsten Behr (BINGO-Umweltstiftung) und Andreas Fiedler (EB-SIM)
Die Diskussion führt Tobias Karow, Lesezeit: 10min44, Textliche Umsetzung: Hanna Günther, Tobias Karow
Wenn Stiftungen in Stiftungsfonds oder stiftungsgeeignete Fonds investieren, dann geht dem meist ein intensives Beschäftigen mit Fondskonzepten, Anlagestilen und Leistungskennzahlen voraus. Wenn sich jedoch zwei Stiftungen zusammentun, um einen Stiftungsfonds gemeinsam aufzulegen, reicht derlei nicht aus, die Gedankenspiele müssen viel weiter vorne beginnen. Am gelben Tisch erzählen Michael Beier, Karsten Behr und Andreas Fiedler eben jene, die im Jahr 2017 ihren Anfang nahm.
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stiftungsmarktplatz.eu: Fangen wir einmal ganz vorne an. Michael Beier, Karsten Behr, erzählen Sie uns doch einmal von dem Prozess, den Sie durchliefen, um erst einen Naturschutzfonds aufzulegen und diesen dann in einen Stiftungsfonds umzuwandeln?
Michael Beier: Begonnen hat alles mit dem Sielmann Sustainability Stiftungsfonds, ein Spezialfonds, welcher im Jahre 2018 gegründet wurde. Mit der bekannten Investmentgesellschaft Deka und der Vermögensverwaltung ProVidens haben wir die Vermögensmanager für diesen Fonds gefunden. Der Heinz Sielmann Stiftungsfonds wiederum wurde zum Vorläufer des Naturschutzfonds Deutschland. Den Anstoß hierfür gab die BINGO! Umweltstiftung Niedersachsen. Diese äußerte ihr Interesse an einem gemeinsamen Spezialfonds. So wandelte sich der Name Heinz Sielmann Stiftungsfonds im August 2019 in Naturschutzfonds Deutschland, verbunden mit dem Wechsel der KVG hin zu Universal Investment. Damit wollten wir die Tür für Kooperationen mit anderen Stiftungen, die sich auch mit Themen des Natur- Umwelt- und Artenschutzes sowie der Umweltbildung widmen, öffnen und ihnen somit die Möglichkeit bereiten, sich einem Spezialfonds anzuschließen. Mit dem Naturschutzfonds Deutschland ist somit also die Partnerschaft mit der BINGO! Stiftung entstanden. Außerdem haben wir einen Beauty Contest durchgeführt, um so mit dem passenden Vermögensmanager die beste Performance für den Fonds erzielen zu können. Auch die Vermögensverteilung innerhalb des Anlageuniversums wurde in durch die Kooperation mit der BINGO! Umweltstiftung im Fonds verändert. Insbesondere nach der Griechenland-Krise kam ein Schwerpunkt auf Staatsanleihen für uns nicht mehr in Betracht. Dies waren die ersten Schritte der Entwicklung des Naturschutzfonds Deutschland, welcher sich im späteren Verlauf weiter zu einem Publikumsfonds entwickelt hat. Im Oktober 2020 nämlich erfolgte dann der Wechsel vom Spezialfonds in den Publikumsfonds mit gleichzeitiger Umbenennung in „ESG Stiftungsfonds Global“.
Karsten Behr: Der Mut der Heinz Sielmann Stiftung für den Spezialfonds hat sich definitiv ausgezahlt, das haben wir damals erkannt. Im Zuge der weiteren Entwicklungen hat es sich jedoch herausgestellt, dass ein Spezialfonds, obwohl er ein flexibles und günstiges Instrument für die Verwaltung und Anlage des Stiftungsvermögens ist, äußerst kompliziert und bürokratisch ist, falls man weitere Partner hinzuziehen möchte, und dass die Entscheidungsfindung in einem Spezialfonds sehr schwerfällig ist. Vor diesem Hintergrund erschien uns der Übergang zu einem Publikumsfonds als die bessere Lösung. So konnten wir auch kleineren Stiftungen die Chance bieten, mitzumachen. Jedoch mussten wir dann wegen der strengen Anforderungen der BaFin an einen Publikumsfonds einen neuen Namen für diesen finden, ganz nach dem Motto: „Wenn Naturschutz draufsteht, dann muss auch Naturschutz drin sein“. Da sich dies jedoch über den Anlagehorizont des Fonds nicht abbilden lassen konnte, haben wir mit dem neuen Namen ESG Global für den Stiftungsfonds eine gute und aussagekräftige Bezeichnung gefunden.
Wir sprachen am gelben Tisch mit Michael Beier (Heinz Sielmann Stiftung), Andreas Fiedler (EB-SIM) und Karsten Behr (BINGO! Umweltstiftung).
Können Sie schon eine erste Bilanz ziehen?
Karsten Behr: Nach dem ersten Jahr nach der Umwandlung in einen Spezialpublikumsfonds können wir die Bilanz ziehen, dass sich diese Entwicklung ausgezahlt hat. Heute morgen erst habe ich zudem mit Freude vernommen, dass der ESG Global ein 5-Sterne-Morning Star-Rating bekommen hat, was für uns einen Riesenerfolg darstellt.
Andreas Fiedler: Ich würde mich da gerne anschließen. Dass wir den Spezialfonds nicht nutzen konnten, ist in der Tat der Regulierung geschuldet. Die Anforderungen, um in einen Spezialfonds zu investieren sind regulatorisch sehr streng, gerade was die Größenordnung und die Befähigung der potentiellen Investoren betrifft, und damit eben auch Stiftungen. Aufgrund dieser gesetzlichen Hürden hat es sich deshalb angeboten, den Spezialfonds in einen Publikumsfonds umzuwandeln. Positiv für den Publikumsfonds sind zudem die höheren Anforderungen an die Transparenz, was potentiellen Neuinvestoren zugutekommt. Im Sinne der Allokation wäre der Spezialfonds unter seinem ursprünglichen Namen zudem ein sehr enges Mandat gewesen, ähnlich wie ein Themenfonds, woraus sich erhöhte Risiken ableiten würden. Denn wir wissen ja alle um die Schwächen von Themenfonds.
„Nach dem ersten Jahr nach der Umwandlung in einen Spezialpublikumsfonds
können wir die Bilanz ziehen, dass sich diese Entwicklung ausgezahlt hat.“
(Karsten Behr, BINGO! Umweltstiftung)
stiftungsmarktplatz.eu: Was uns interessiert, wie Sie an das Thema Stiftungsfonds bzw. speziell das Thema Nachhaltigkeit rangegangen sind. War das eher pragmatisch oder eher ideologisch? Im Stiftungssektor scheint sich hierüber eine Diskussion zwischen Pragmatikern und Ideologen zu entspinnen. Auf der einen Seite gibt es Pragmatiker, die die Sache einfach angehen mit der Prämisse, dass ein Portfolio weiterhin genügend diversifiziert sein muss. Auf der anderen Seite stehen Ideologen, die das Thema Nachhaltigkeit strenger angehen und das Portfolio mehr nachhaltig gestalten wollen. Wie ideologisch bis pragmatisch sind Sie auf einer Skala von 1-10?
Michael Beier: Also auf einer Skala von 1-10 bin ich diesbezüglich bei 10, also hochgradig pragmatisch. In der Heinz Sielmann Stiftung haben wir bereits 2014 begonnen, das gesamte Stiftungsmanagement und den Stiftungsalltag anhand der Kriterien der GRI-Standards zu überprüfen, wie es sonst nur Unternehmen machen. Auch das Vermögensmanagement ist ein wichtiger Baustein für die Nachhaltigkeit einer Stiftung. Deshalb haben wir bewusst nach guten Vermögensmanagern und einer guten KVG gesucht, die diesen Weg mitgehen. So entstand der Sielmann Sustainability Stiftungsfonds. Zusätzlich wurde eine Änderung der Anlagerichtlinie vorgenommen, weg von Staatsanleihen und hin zu Aktien mit einem kalkulierbaren Risiko.
stiftungsmarktplatz.eu: Somit haben Sie das klassische „ertragreich und sicher“, was ja so oft in der Anlagerichtlinie zu finden ist, zeitgemäß uminterpretiert, wenn man das so sagen darf?
Michael Beier: Nun, wir haben uns vor allem die Frage gestellt, wie Performance in einer Niedrigzinsphase erfolgen kann. Dies geht zum einen durch Kosteneinsparung im Einkauf eines Fonds und dadurch, alle Chancen zu nutzen: Durch Diversifikation, einem klaren Risikomanagement, einer monatlichen Berichterstattung, durch fortlaufende Gespräche mit Vermögensmanagern und einem beratenden Anlageausschuss. Mit der Kooperation durch die EB-SIM wird ein zudem ein jährlicher Nachhhaltigkeitsreport im Geschäftsbericht den Anlegern zur Verfügung gestellt. Dies hebt uns auch von vielen „ESG“- und „Sustainability“-deklarierten Fonds ab, die nicht laufend über die Aufstellung in Bezug auf die Nachhaltigkeit berichten.
stiftungsmarktplatz.eu: Wenn es kein Reporting in Bezug auf die Nachhaltigkeit gibt, wird es zunehmend schwer, authentisch-nachhaltige Fonds von den nicht-authentischen zu unterscheiden. Oder wie sehen Sie das?
Michael Beier: Es gibt leider noch sehr wenige Stiftungen, die ein solches freiwilliges Nachhaltigkeitsreporting erstellen, bzw. die ein solches beispielsweise von Fonds explizit einfordern. Auch unserer Change-Prozess ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Mit der Unterstützung des Naturnetzes Niedersachsen sind wir gerade dabei, einen Nachhaltigkeits-Leitfaden für Stiftungen zu entwickeln. Denn zwar wird in der Stiftungspraxis viel über Nachhaltigkeit gesprochen, jedoch fehlt es bei vielen noch an der Umsetzung von Nachhaltigkeit in der eigenen Stiftungspraxis.
„Unter den 24.000 Stiftungen in Deutschland
ist noch viel Entwicklungspotential vorhanden, um Quellen für ordentliche Erträge zu finden und das Thema Nachhaltigkeit für sich zu entdecken. Das scheinen mir doch die Gebote der Stunde zu sein.“
(Andreas Fiedler, EB-SIM)
stiftungsmarktplatz.eu: Herr Behr, würden Sie sich auch als Pragmatiker einordnen?
Karsten Behr: Ich würde mich auf der Skala auch bei einer 10 verorten. Als Stiftung muss man einfach mal den ersten Schritt gehen und sich dann auch mit dem Markt entwickeln, gerade weil sich so viel im Bereich Nachhaltigkeit getan hat. Zur Bewertung für die Nachhaltigkeit haben wir die Leitlinien der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hinzugezogen. Diese Leitlinien der EKD sind das älteste Konstrukt für nachhaltiges Anlegen. Auch die haben diese Kriterien immer weiterentwickelt. Die Nachhaltigkeit ist so gesehen ein kontinuierlicher Prozess, der sich auch in unserem Fonds widerspiegelt. Um nochmal auf das Thema Kosten zu sprechen zu kommen: Diese sind ein wichtiger Anreiz für Stiftungen, um ihr Vermögen gemeinsam zu investieren. Unser Publikumsfonds hatte im letzten Jahr eine Wertsteigerung von knapp 8%, was im Corona-Jahr schon ein hervorragendes Ergebnis darstellt. Wenn man dies in den Zusammenhang mit dem Morning-Star-Rating, den Kosten und dem klaren Nachhaltigkeitsprofil betrachtet, ist dies ein herausragend in allen Belangen.
stiftungsmarktplatz.eu: Bleiben wir noch kurz bei einem Begriff, der schon mehrmals fiel: der Entwicklung. Ist dies etwas, das Stiftungen auch in Bezug auf Stiftungsvermögen verstehen müssen, dass das Stiftungsvermögen in diesem Umfeld einer permanenten Weiterentwicklung bedarf?
Andreas Fiedler: Wie Michael Beier vorhin schon ausgeführt hat: Unter den 24.000 Stiftungen in Deutschland ist noch viel Entwicklungspotential für die Ausrichtung des Portfolios vorhanden, um den Erhalt des Stiftungskapitals und darüber hinaus eine positive Wertentwicklung zu ermöglichen. Aber auch, um Quellen für ordentliche Erträge zu finden und das Thema Nachhaltigkeit für sich zu entdecken, das scheinen mir doch die Gebote der Stunde zu sein. Die Zusammenarbeit zweier namhafter Stiftungen wie der Heinz Sielmann Stiftung und der BINGO! Umweltstiftung ist vor diesem Hintergrund ein echtes Leuchtturmprojekt in der Stiftungslandschaft. Das Thema Nachhaltigkeit in der Vermögensanlage ist für uns außerdem kein Trend, sondern steckt vielmehr bereits in unserer DNA. Lieferketten nachzuvollziehen, bestimmte Standards in diesem Umfeld umzusetzen – all das gehört für und als Bank schon seit Jahren dazu. Für uns ist Nachhaltigkeit etwas Allumfassendes, aber nicht esoterisches. Nachhaltigkeit ist ein mehrstufiges Verfahren, auch im Rahmen des Auswahlprozesses. Aber auch unser Nachhaltigkeitsreporting entwickelt sich: Wir planen ein monatliches Nachhaltigkeitsreporting, sogar ein täglich abrufbares, was auf alle 17 Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen (SDGs) eingehen soll. Insofern, um auf Ihre Frage zurückzukommen, ja, das Entwickeln muss zum Stiftungsvermögen fix dazugehören, die Dinge so zu machen wie vor 20 oder 30 Jahren, das ist eben vorbei.
Karsten Behr: Um dies noch zu ergänzen: Auch wenn wir eine Umweltstiftung sind, ist beim Thema ESG das G der entscheidende Baustein. Denn wenn ein Unternehmen gut geführt ist, dann werden die Umwelt- und Sozialbelange bereits mitbedacht. Dies bestätigt sich auch kontinuierlich: Wo Probleme bezüglich von „Environment“ und „Social“ auftauchen, hat es in aller Regel bereits Probleme bezüglich der Unternehmensführung gegeben. So gesehen ist dies ein ganz zentraler Baustein, auf den es besonders zu achten gilt.
„Man muss also auch die Mitarbeiter und Organe mitnehmen auf diesen Weg.“
(Michael Beier, Heinz Sielmann Stiftung)
stiftungsmarktplatz.eu: Danke für diesen wichtigen Hinweis, Herr Behr. Ich halte es für überaus wichtig, das G besonders herauszustellen. Mein Spruch ist immer: „Ein schlecht geführtes Unternehmen ist auch immer ein schlechtes Investment gewesen.“. Was uns nun in Bezug auf Ihren Stiftungsfonds interessiert ist das Folgende. Im Konzept ist eine Aktienquote von 60% möglich. Wenn eine Stiftung jedoch laut Anlagerichtlinie nur maximal 30% in Aktien investieren darf, wie kann ich dahingehend argumentieren, um in diesen Fonds zu investieren?
Michael Beier: Als Stiftung sollte ich in so einem Fall die Anlagerichtlinie ändern. Es gilt, als Stiftung Mut zu zeigen und konsequent am Ball zu bleiben. Sich Reportings einzuholen, das Gespräch mit den Vermögensmanagern zu suchen, Dokumentation, um so auch gegenüber den eigenen Organen und Gremien Rede und Antwort stehen zu können. Man muss also auch die Mitarbeiter und Organe mitnehmen auf diesen Weg.
Andreas Fiedler: Als Ergänzung von meiner Seite: Wenn eine Änderung der Anlagerichtlinie innerhalb der Stiftung noch gescheut wird, besteht auch die Möglichkeit, erstmal den Aktienanteil in der Gesamtvermögensanlage durchzurechnen und dann den Fonds zu erwerben. Dank der Transparenz des Publikumsfonds ist dies auch jederzeit möglich.
Karsten Behr: Ich schließe mich Michael Beier an, zuallererst gilt es, die Gremien zu überzeugen. Der Markt der nächsten zehn Jahre setzt eine legt eine vermehrte Anlage in Immobilien und Aktien nahe. Im Rentenmarkt werden wir in den nächsten Jahren stattdessen weiterhin ein negatives Verhältnis zwischen Inflation und Zinssatz bemerken. Es führt kein Weg vorbei – deshalb müssen die Gremien überzeugt werden. Außerdem wird zu erwarten sein, dass auch bei einem Fonds mit einem höheren Rentenanteil der Aktienanteil angesichts dieser Entwicklungen in Zukunft höhergeschraubt wird.
„Wenn eine Änderung der Anlagerichtlinie innerhalb der Stiftung noch gescheut wird,
besteht auch die Möglichkeit, erstmal den Aktienanteil in der Gesamtvermögensanlage durchzurechnen und dann den Fonds zu erwerben.“
(Andreas Fiedler, EB-SIM)
stiftungsmarktplatz.eu: Letzte Woche hatten wir tatsächlich auch ein Gespräch mit einer Stiftung über dieses Thema. Eine höhere Aktienquote lässt sich auch über den Stifterwillen argumentieren. Denn wenn alle Mittel für den Kapitalerhalt und für ordentliche Erträge ausgeschöpft sind, muss man schlussendlich mit Verweis auf die Änderung des Anlageumfelds die Anlagerichtlinie entsprechend umgestalten, um so auch in Fonds mit 60 oder 70% Aktienquote einsteigen zu können.
Michael Beier: Für mich ist es grob fahrlässig, wenn sich ein Vorstand einer Stiftung für das Vermögensmanagement aus den 90er Jahren bezieht, als noch Rentenpapiere noch Zinserträge abgeworfen haben. Hier halte ich auch die Aufsichtspflicht eines Organs, dem Stiftungsrat und dem Kuratorium als wesentlich in diesem Umgang mit dem Kapitalerhalt und mit der Geschäftsführung. Denn beide Seiten tragen die Schuld, wenn das Geld durch festverzinsliche Papiere verwirtschaftet wird und nicht einmal die Inflationsrate erwirtschaftet wird.
stiftungsmarktplatz.eu: Es ist eben immer die Frage, ob der Wille zur Veränderung vorhanden ist. Stiftungsaufsichten spiegeln uns, dass es daran schon hier und da hapert.
Michael Beier: Dem dient ja auch die Stiftungsreform, die dieses Jahr vollzogen wurde. Stiftungen, die selbst nicht überlebensfähig sind und ein schlechtes Vermögensmanagement haben, können sich mit dem neuen Stiftungsgesetz mit anderen Stiftungen zusammentun, um dann gemeinsam neues Portfolio aufstellen zu können.
Andreas Fiedler: Nochmal zur Struktur des Mandates. Der Vorteil bei zwei Asset Managern, wie es bei dem Fonds der Heinz Sielmann Stiftung und der BINGO! Umweltstiftung der Fall ist, dass unterschiedliche Portfolio-Manager auch unterschiedliche Investment-Stile pflegen. Für das Gesamtuniversum bedeutet dies eine Risikoreduktion. Dies führt mitunter auch zu anstrengenden Diskussionen, was aber wiederum eine innere Hygiene erzeugt.
„Unterschiedliche Investmentstile zu kombinieren
bedeutet im Stiftungsvermögen eine Risikoreduktion.“
(Andreas Fiedler, EB-SIM)
stiftungsmarktplatz.eu: Das bedeutet also, ich diversifiziere im Fonds auch über Managementstile hinweg. Ist vielleicht ein wichtiger Hinweis, dass auch das auf das Diversifikationsgebot, dem Stiftungen ja Folge zu leisten haben, einzahlt, und nicht nur das schnöde Mixen von Aktien und Anleihen.
Andreas Fiedler: Genau, und die Klammer ist sozusagen das Nachhaltigkeits-Overlay, um es mal so auszudrücken, sozusagen das investierbare Universum. Und hinzu kommt ein gemeinschaftliches Reporting über die Allokation im Nachhaltigkeits-Kontext.
stiftungsmarktplatz.eu: Beim Investieren in einen Fonds ist es aus Stiftungssicht natürlich wichtig zu wissen, was der Fonds ausschütten kann. Gibt es einen Plan darüber, in welche Richtung sich die Ausschüttung bewegen soll, die aktuell bei 2% liegt?
Andreas Fiedler: Vom Grundsatz möchten wir die ordentlichen Erträge ausschütten.
Michael Beier: Ja, darüber haben wir uns geeignet. Allerdings haben wir auch die Überlegung angestellt, den ordentlichen Aufwand, den man ja normalerweise von den ordentlichen Erträgen abziehen würde, den außerordentlichen Erträgen stattdessen gegenüberzustellen. So werden die ordentlichen Erträge tatsächlich brutto für netto ausgeschüttet. Somit kann überhaupt eine vernünftige Ausschüttung von 1-2% zustande kommen. Da die erzielten außerordentlichen Erträge so hoch gewesen sind, konnte dieser Aufwand auch mühelos verkraftet werden. Mit diesen außerordentlichen Erträgen konnte somit innerhalb des Fonds auch einen Puffer angelegt werden, mit dem zusätzliche Ausschüttungen vorgenommen werden können oder auch mal Kursverluste über diese „stillen Reserven“ abgepuffert werden, falls dies erforderlich ist. Wir können sicherlich in der jetzigen Situation nicht versprechen, dass wir sehr hohe Ausschüttungen generieren, weil man das gerade am Markt so nicht erzielen kann. Wir wollen stattdessen eine Ausschüttung, die das Thema Inflation vernünftig widerspiegelt und ansonsten auch eine positive Wertentwicklung des Fonds. Dann kann man immer noch als einzelner Anleger diese positive Wertentwicklung nutzen, um bei Erforderlichkeit auch für den Stiftungszweck Anteile veräußern.
stiftungsmarktplatz.eu: Guter Punkt, wichtiger Punkt. Wenn eine Stiftung einen Fondsanteil mit Gewinn verkauft, ist dies ein außerordentlicher Ertrag. Das heißt, die Satzung müsste entsprechend hierfür die Möglichkeit vorsehen und zusätzlich müsste die Stiftung alle erdenklichen Mittel vorher ausgeschöpft haben, um ordentliche Erträge zu erzielen. Also ist erst dann möglich, Anteile zu verkaufen, um dieses Vehikel für den ordentlichen Ertrag zu nutzen?
Karsten Behr: Ja, da haben Sie recht, dies ist in der Tat nicht ganz so trivial. Denn zumindest muss die Stiftung ihr Vermögen nominal erhalten. Es wäre deshalb wohl am sinnvollsten, diese Option über die Anlagerichtlinie zu regeln.
stiftungsmarktplatz.eu: Aber die Stiftungsrechtsreform öffnet hier ja die Freiheitsgrade für Stiftungen. Das mit der sogenannten „stillen Reserve“ ist auch ein spannendes Thema, da diese aus Umschichtungsgewinnen entsteht. Dies beutet, dass sie in Ihrem Stiftungsfonds ESG Global eine sehr hohe Ausschüttungskontinuität abbilden können.
Karsten Behr: Jede Stiftung ist gut beraten, Umschichtungsrücklagen anzulegen. Wir machen somit mit diesem Fonds das, was sowieso jede Stiftung tun sollte.
stiftungsmarktplatz.eu: Aber woher kommt eigentlich das Misstrauen von Stiftungsverantwortlichen gegenüber Vermögensmanagern und Menschen, die Fonds anbieten?
Michael Beier: Dieses Misstrauen entstand bereits in den 90ern Jahren mit der Telekom-Aktie und den damit verbundenen Erfahrungen von Personen durch die Anlage privaten Vermögens. Diese Negativerfahrungen am Aktienmarkt tragen sie dann weiter in die Ehrenämter oder in den Beruf. Es wird zudem auch zu wenig über die Volatilität des Marktes, also über das Auf und Ab des Marktes, in unserem Bildungswesen gelehrt.
stiftungsmarktplatz.eu: Bei einem Blick auf den Fondschart erkennt man aber schnell und deutlich, dass aktienstarke Fonds wie ihre solche „Dips“ wie im März 2020 sehr gut aufholen können und Stiftungen demgemäß eigentlich gar keine Angst vor der Schwankung an sich haben müssen.
Karsten Behr: In den Anlagerichtlinien haben wir uns für diesen Publikumsfonds jedoch ganz bewusst gegen ein Risikobudget entschieden. Denn die vielen Fonds, die ihr Risikobudget letztes Jahr aufgebraucht haben, konnten dann nicht mehr wieder einsteigen, was sich somit zum riesigen Problem wurde.
stiftungsmarktplatz.eu: Deshalb war letztes Jahr doch ein guter Beweis dafür, dass genau diese Fonds, welche nicht auf Wertsicherung und 100% Kapitalerhalt setzen, die zeitmäßigeren Produkte sind.
Andreas Fiedler: Dies lässt sich nicht nur am letzten Jahr verdeutlichen. In der Vergangenheit hat sich das immer wieder unter Beweis gestellt. Immer dann, wenn wir Abschwungphasen hatten, auch nur für wenige Wochen, hat das solchen Produkten die Performance gekostet.
stiftungsmarktplatz.eu: Müsste man nicht aus der Krise vom letzten Jahr ableiten, dass vor dem Hintergrund dieser historischen Entwicklungen jeder Rückgang an der Börse ein vorübergehender Wertverzerr war, und das wäre das stärkste Argument, keine Angst vor der Aktie oder aktienlastigen stiftungsgeeigneten Fonds zu haben?
Michael Beier: Eine Stiftung ist für die Ewigkeit angelegt. Sie sollte sich deshalb so ausrichten, dass sie langfristig Ertrag erzielen kann und es auch aushält, wenn es mal 20% weniger sind. Dies ist auch in den Satzungen und Anlagerichtlinien festzuschreiben. Wir haben bei uns das Bestreben, dass 20% auf 7 Jahre hinnehmbar sein müssen. Man muss damit leben, dass es auch mal weniger Projekte geben kann. Das Bestehenbleiben einer Stiftung ist das entscheidende.
„Der Spruch lautet „Aktien kaufen und liegen lassen“.
Wenn man jedoch zum falschen Zeitpunkt draufschaut,
hat man einen schlechten Schlaf.“
(Michael Beier, Heinz Sielmann Stiftung)
stiftungsmarktplatz.eu: Leider haben nicht so viele Stiftungsvorstände ein solch offenes Mindset.
Karsten Behr: Das Problem beim Thema Aktien ist, dass von Verlusten gesprochen wird, obwohl es um Schwankungen geht.
Michael Beier: „Aktien kaufen und liegen lassen“, lautet ja der Spruch. Wenn man jedoch zum falschen Zeitpunkt draufschaut, hat man einen schlechten Schlaf.
stiftungsmarktplatz.eu: Um die Gesprächsrunde abzuschließen, würden wir Ihnen gerne noch eine Formel entlocken. Wie würden Sie die Entwicklungen in ihrem Stiftungsvermögen mit dem Publikumsfonds in eine Formel gießen?
Michael Beier: Vermögensmanagement mit Haltung, mit einem klaren Fokus auf die Nachhaltigkeit. Dann ist es auch ein gesundes Anlegen im Sinne der Stiftung, gerade als Umweltstiftung passt die nachhaltige Anlage durch den Fonds wie die Faust aufs Auge.
Karsten Behr: Nach zwölf Jahren in der BINGO! Umweltstiftung kann ich sagen, dass ich das Vehikel gefunden habe, dass zukunftsfähig ist und in allen Aspekten das mitbringt, was wir für unsere Stiftung brauchen. Ich kann auch jeder, auch jeder kleinen Stiftung, empfehlen, sich zu beteiligen.
Andreas Fiedler: Von meiner Seite kann ich nur nochmals den Mut dieser beiden Stiftungen loben, einen solchen Fonds auf die Beine zu stellen. Wir als Vermögensverwalter mit der ProVidens sind glücklich darüber, diesen Weg mitbeschreiten zu können. Wir setzen alles daran, dieses Mandat groß zu denken und diesen Gedanken weiter in die Stiftungswelt zu tragen. Denn die Initiative ging ja mit den beiden Stiftungen hier von dieser aus, und ich bin sicher, dass dies auch nicht die letzte Initiative dieser Art gewesen sein wird, wenn wir in 10 Jahren auf das 20er Jahrzehnt des 21ten Jahrhundert zurückblicken.
stiftungsmarktplatz.eu: Das ist ein schöner Gedanke, es stehen uns also nicht nur an den Kapitalmärkten spannende Jahre bevor. Wir danken Ihnen dafür, dass Sie uns hinter die Kulisse Ihres Stiftungsfonds ESG Global haben blicken lassen und Stiftungen an Ihren Gedanken so offen teilhaben lassen.